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Banking und Blockchain: mehr Chancen als Risiken

Banking und Blockchain: mehr Chancen als Risiken

Konferenz «Banking Meets DLT», 22. August 2019, Universität Basel: Schlussreferat von Regierungsrat Heinz Tännler, Präsident der Swiss Blockchain Federation

Sehr geehrte Damen und Herren

Es freut mich ausserordentlich, hier als Vertreter der Swiss Blockchain Federation zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Ich freue mich aus zwei Gründen:

Erstens haben die Veranstalter, das heisst das Center for Innovative Finance der Universität Basel, die Schweizerische Bankiervereinigung und die Swiss Blockchain Federation, einen hochkarätigen Anlass auf die Beine gestellt. Für praxisnahe Ausbildung im Bereich Blockchain setzt er den Benchmark.

Zweitens zeigt die überwältigende Anwesenheit – und die lange Warteliste für diese Konferenz – dass Blockchain bzw. Distributed Ledger Technology (kurz: DLT) im Herzen der Schweizer Wirtschaft angekommen ist. Dass Sie hier sind, beweist, dass sich die Banken mit den Chancen und Risiken ernsthaft auseinandersetzen wollen.

Das ist sehr wichtig, und ich möchte Ihnen im Folgenden aufzeigen, warum die Schweiz – und insbesondere auch die Bankenbranche – bei ausreichender Würdigung der Risiken diese Chancen packen müssen.

Der Schweizer Finanzplatz hat in den letzten Jahren Federn gelassen. Sein Anteil am Bruttoinlandprodukt ist konstant gesunken. Die Bruttowertschöpfung sinkt um 3 Prozent pro Jahr. Neue Technologien verdrängen die alten Geschäftsmodelle.

Die Finanzbranche braucht einen Produktivitätsschub, neue Geschäftsfelder und neue Geschäftsmodelle. Blockchain-Anwendungen sind eine Chance, um aus der Kostenfalle zu entkommen.

Dieser Strukturwandel ist nicht einfach, für keine Branche. Aber in meiner Wahrnehmung bereitet er vor allem den Banken sehr viel Mühe. Das sage ich Ihnen nicht nur als externer Beobachter, sondern auch als Vertreter des Hauptaktionärs der Zuger Kantonalbank. Weshalb?

Einerseits haben die Finanzkrise und die zunehmende internationale Regulierungswut in dieser Branche Innovations- und Risikobereitschaft sicher nicht gefördert, und andererseits funktionieren die alten Geschäftsmodelle immer noch. Es ist einfacher, Hypotheken zu vergeben als Geldwäscherei-Standards in DLT-Systemen anzuwenden.

Laut einer Studie von Avenir Suisse liegt das Blockchain-Potenzial für die Banken vor allem in drei Bereichen: Die Schweiz kann ihren Kapitalmarkt erweitern, im Aussenhandel die Finanzierung optimieren und in der Vermögensverwaltung neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Um dieses Potenzial der Distributed Ledger Technology auszuschöpfen und weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen, müssen die Banken in ein Ökosystem eingebunden sein. Hier kommt der Netzwerkeffekt ins Spiel, und das so genannte Crypto Valley, das zu Unrecht pauschal mit Spekulation und Hype gleichgesetzt wird.

Im Crypto Valley – damit ist nicht nur Zug gemeint, sondern das ganze Blockchain-Ökoystem zwischen Genf, Basel, Lugano und Vaduz – zählen wir heute über 800 Unternehmen, die direkt oder indirekt als Service Provider mit DLT arbeiten. Eine solche Konzentration von Firmen der verschiedensten Branchen, die mit dieser Pionier-Technologie arbeiten, gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.

Die Schweiz befindet sich nicht zum ersten Mal an der Schwelle zu einer neuen Technologie mit grossen Unsicherheiten, Risiken aber auch Chancen. Lassen Sie mich exemplarisch auf die Mitte des 19. Jahrhunderts werfen. Die Schweiz drohte den Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz zu verlieren. Visionäre Köpfe um Alfred Escher gründeten Eisenbahnen und bauten als Krönung den Gotthardtunnel. Damals hatte niemand Erfahrung mit derart grossen Industrieprojekten und die Kapitalbeschaffung in dieser immensen Höhe war Neuland. Unsicherheit und Risiken waren enorm. Und doch packte man die Chance. In diesem Umfeld wurde nicht nur der Gotthardtunnel gebaut und die Schweiz mit der verkehrstechnischen Erschliessung in die Neuzeit geführt, sondern es wurde ein tragfähiges wirtschaftliches, politisches und bildungstechnisches Netzwerk geschaffen, das heute noch Bestand hat. Die heutige CS, von der 25 Personen an unserer Veranstaltung teilnehmen, die heutige Swiss Life und die ETH wurden in diesen Jahren gegründet und trugen fortan viel zum Erfolg unseres Landes bei. Während Alfred Escher damals in seiner Person Unternehmertum, Kapital, Bildung und Politik vereinigte, sind wir heute gefordert, dies über Netzwerke zu verbinden. Darum sind wir hier.

Meine Damen und Herren, auch heute sprechen wir über Umgang mit Risiken, Realisieren von Chancen, vor allem aber auch von einer volkswirtschaftlichen Verantwortung. Die Schweiz und ihre Wirtschaft haben die einmalige Chance, mit dieser neuen Technologie einen grossen Schritt vorwärts zu machen. Gemeinsam sollten wir alle diese Chance packen.

Das ist auch die Grundidee und das Ziel der Swiss Blockchain Federation, einem Public Private Partnership, dem nebst rund 60 Unternehmen und Universitäten auch die Kantone Tessin, Zürich und Zug angehören. Sie ging aus einer Task Force hervor, die 2017 unter dem Patronat der Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Ueli Maurer als Bottom-up-Initiative gegründet wurde.

Vielleicht fragen Sie sich: Weshalb braucht es ein Public Private Partnership, um eine Technologie zu fördern?

Eine Antwort gibt der Digital Competitiveness Report, der jedes Jahr von der IMD Business School in Lausanne erstellt wird. Er zeigt, wie fit einzelne Länder im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung sind. Die Schweiz erhält in diesem Report im Durchschnitt gute bis sehr gute Noten. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die guten Noten verdankt sie nämlich vor allen den Spitzenuniversitäten, den hoch qualifizierten Spezialisten und dem Forschungsstandort.

In den Bereichen Zukunfts- und Adaptionsfähigkeit, IT-Integration und Marktdurchdringung, die separat bewertet werden, ist die Schweiz nur Mittelmass. Hier haben Länder wie Australien, Finnland, die Niederlande und die USA die Nase klar vorn. In den baltischen Ländern werden bis zu 90 Prozent aller Handelsregistereinträge online abgewickelt.

Wenn der Staat gegenüber neuen Technologien offen ist, mit der Wirtschaft zusammenarbeitet und die richtigen Rahmenbedingungen setzt, geht es vorwärts. In der Schweiz sind wir generell, aber besonders in Bezug auf Blockchain, noch nicht so weit.

Wir haben ein sensationelles Startup-Cluster vor allem im Raum Zug und Zürich, aber wir nutzen dieses Potenzial zu wenig. Die Banken spielen hier eine Schlüsselrolle. Wenn sie auf der Bremse stehen, entwickelt sich das Fintech- und Blockchain-Ökosystem in der Schweiz nur schleppend. Dann schnappen uns andere Länder die Führungsrolle weg, nutzen die Potenziale. Die Disruption, d.h. die Verdrängung etablierter Geschäftsmodelle findet dann auch bei uns statt. Die Chancen, welche diesen Verlust kompensieren könnten, werden aber anderswo realisiert. Soweit darf es nicht kommen!

Natürlich birgt DLT wie jede Technologie Risiken. Aber Risiken sind da, um sie in den Griff zu kriegen. Und Chancen sind da, um sie zu packen.

Wir müssen beides tun. Dazu braucht es die Zusammenarbeit zwischen Staat und Privaten, den Dialog zwischen den klassischen Branchen und den jungen Pionieren sowie ein vertieftes Verständnis der Technologie.

Dazu hat die heutige Veranstaltung einen grossen Beitrag geleistet.

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