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Bundesrat gibt Startschuss für digitale Wertpapiere

Bundesrat gibt Startschuss für digitale Wertpapiere

Der Bundesrat ermöglicht per 1. Februar 2021 die Ausgabe von Blockchain-basierten Aktien. Wir beleuchten den Hintergrund des neuen Gesetzes und geben einen Ausblick auf die geschaffenen Möglichkeiten.

Autor: Luzius Meisser

Am 10. Dezember 2020 hat der Bundesrat beschlossen, Teile der in der Herbstsession vom Parlament ohne Gegenstimme verabschiedeten Blockchain-Vorlage bereits per 1. Februar 2021 in Kraft zu setzen. Ab diesem Tag wird die Schweiz über ein ausdrückliches rechtliches Fundament für die Ausgabe von sogenannten Registerwertrechten verfügen. Dieser neu geschaffene Rechtsbegriff bezeichnet Wertpapiere, die dank Blockchain-Technologie ohne Papier und im Gegensatz zu den an der Börse gehandelten Bucheffekten auch ohne Banken auskommen. Stattdessen werden Registerwertrechte auf kryptographische Token “gedruckt”, welche wie Krytowährungen digital und ohne Intermediär direkt von Person zu Person übertragbar sind.

Existierende Wertpapierformen
Schon heute werden Aktien von Schweizer Firmen nur noch sehr selten als papierene Zertifikate ausgegeben. Dahinter steckt der juristische Kunstgriff des aufgeschobenen oder gar aufgehobenen Titeldrucks. Dabei behalten die Aktionäre zwar das theoretische Recht, ein Aktienzertifikat zu verlangen, verzichten aber gleichzeitig darauf, dieses Recht jemals auszuüben. Die Übertragung dieser papierlosen Wertpapiere geschieht aber nach wie vor mittels Papier, nämlich über eine schriftliche Abtretungserklärung. In dieser bezeichnet die Inhaberin ihren Nachfolgeinhaber sowie die zu übertragenden Wertrechte.

Auf den ersten Blick fast gleich wie Abtretungserklärungen erscheinen Blockchain-basierte Transaktionen. Darin bezeichnet der gegenwärtige Inhaber mittels elektronischer Unterschrift eine Adresse, auf welche eine bestimmte Menge kryptographischer Vermögenswerte als nächstes verschoben werden sollen. Daher könnte man meinen, es würde genügen, solche Signaturen als rechtsgültig zu anerkennen, um die rein digitale Übertragung von Wertrechten zu ermöglichen. Das wäre aber ein Fehlschluss!

Gelungene rechtliche Interpretation der Blockchain-Technologie
Der Gesetzgeber hat korrekt erkannt, dass ein fundamentaler Unterschied besteht zwischen elektronischen Signaturen, wie sie bereits im Gesetz verankert sind, und den elektronischen Signaturen, wie sie im Kontext einer Blockchain üblich sind. Erstere beweisen die Identität des Signierenden, letztere dessen Berechtigung. Folgerichtig hat sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Blockchain-basierten Registerwertrechten am physischen Wertpapier und nicht am mittels Abtretung übertragenen Wertrecht orientiert.

Dies ist nur eine von mehreren sehr technischen, aber auch sehr entscheidenden Erkenntnissen, die in die Vorlage eingeflossen sind. Ebenfalls sehr gelungen ist die rechtliche Charakterisierung der Blockchain-Technologie selbst, ohne diese im Gesetzestext beim Namen zu nennen. Damit ist der äusserst anspruchsvolle Spagat zwischen Zukunftsfähigkeit und hinreichend klarer Spezifikation gelungen. Im internationalen Vergleich scheint hier die Schweiz weit voraus zu sein, zumal andere Jurisdiktionen und länderübergreifende Organisationen wie die FATF mit eher unbeholfenen Definitionen auffallen.

Im Internationalen Vergleich ist die Schweiz weit voraus
Die grosse Hoffnung der Branche besteht darin, dass diese Registerwertrechte nicht nur zu inkrementellen Effizienzgewinnen, sondern zu einer Umgestaltung der Finanzmärkte führen. Auch für diesen Schritt hat der Gesetzgeber bereits den Weg bereitet und eine massgeschneiderte neue Lizenzkategorie für entsprechende Handelsplätze im Gesetz vorgesehen. Dieses dürfte per 1. August 2021, nach Abschluss der laufenden Vernehmlassung über die zugehörigen Verordnungen, in Kraft treten.

Die heutigen Börsen sind in horizontalen Schichten aufgebaut. Zuunterst sind die Zentralverwahrer, welche alle gehandelten Aktien zentral aufbewahren und ein Inhaberregister führen. Darüber sind Effektenabwicklungssysteme, Zahlungssysteme, zentrale Gegenparteien, und die eigentlichen Börsen, welche Käufer und Verkäufer zusammenführen. Den Zugang zu diesen Börsen erfolgt über eine Bank.

Anstelle von zentralen Handelsplätzen werden viele kleine Börsen möglich
Diese horizontale Aufteilung ist nicht nur historisch entstanden, sondern auch rechtlich vorgeschrieben. Diese Regelung hat die Schweiz 2016 zwecks Erlangung der “Börsenäquivalenz” von der Europäischen Union kopiert. Eine Idee hinter der Zwangsunterteilung besteht in der Belebung des Marktes. Das Gesetz gewährt nämlich jeder Schicht den diskriminierungsfreien Zugang zu den anderen Schichten, so dass die Börse Bern die zentrale Verwahrung der SIX nutzen kann, um letztere im Handel zu konkurrieren, ohne selbst eine zentrale Verwahrung aufbauen zu müssen.

Mit blockchain-basierten Aktien entfällt in vielen Fällen die zentrale Verwahrung und der Endkunde kann seine Wertpapiere technisch viel leichter von einer Börse abziehen und bei einer anderen Börse wieder einlagern. Anstelle der horizontalen Schichten kann so ein Markt entstehen, der in vertikale Kuchenstücke aufgeteilt ist und aus vielen kleinen Börsen besteht, die dank Effizienzgewinnen und fehlender Abhängigkeit vom Zentralverwahrer sämtliche Dienstleistungen über alle traditionellen Schichten hinweg selbst anbieten können. So kann der freie Markt dank geeigneter Technologie selbst spielen und muss nicht mehr künstlich durch den gesetzlich vorgeschriebenen Zwangszugang belebt werden.

Woran der Ansatz der Europäischen Union krankt
Diese neuen Möglichkeiten scheint der Gesetzgeber erkannt zu haben, als er die neue Lizenzkategorie für Handelsplätze für Registerwertrechte geschaffen hat. Diese dürfen – unter bestimmten Voraussetzungen – ihre Dienstleistungen über sämtliche Schichten hinweg anbieten. Den gleichen Handlungsbedarf hat die Europäische Kommission erkannt. Die europäische Regelung krankt nämlich an den gleichen Einschränkungen wie die heutige der Schweiz. Wenn man bedenkt, dass wir die europäische Regelung weitgehend kopiert haben, ist das keine Überraschung. Die EU-Kommission zielt nun mit einem im September publizierten Vorschlag für ein “Pilot Regime” ebenfalls in Richtung einer neuen Lizenzkategorie, hinkt der Schweiz aber hinterher.

Chance für den Finanzplatz Schweiz
Nachdem der Gesetzgeber seine Verantwortung wahrgenommen und die rechtlichen Steine aus dem Weg geräumt hat, liegt es nun an innovativen Firmen, den Ball entgegenzunehmen und diese Chance für den Finanzplatz zu verwerten. Das rechtliche Fundament zur Schaffung eines Blockchain-basierten Finanzmarktes ist da. Ich selbst und viele andere arbeiten nun daran, die Vision von neuen und besseren Finanzmärkten zu verwirklichen und den Beweis anzutreten, dass die Blockchain-Technologie einen nachhaltigen Mehrwert sowohl für Anlegerinnen und Anleger als auch für Emittenten von Aktien und Anleihen schaffen kann.

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Über den Autor
Luzius Meisser ist Mitglied des Expert Councils der Swiss Blockchain Federation und Mitglied der externen Expertengruppe, die den Bundesrat bei der Ausarbeitung der Vorlage beraten hat. Er ist Investor und Verwaltungsrat bei mehreren Schweizer Fintech-Startups, unter anderem auch die Aktionariat AG, welche Software zur Nutzung der neuen Möglichkeiten anbietet. Ein Vortrag des Autors zum Thema ist hier zu finden.

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